,türlosees Personen-Cabriolet‘

Die nunmehr 125-jährige Geschichte von ŠKODA AUTO haben immer wieder auch Fahrzeuge bereichert, die für den sportlichen Einsatz oder den Spaß an der Freude bestimmt waren. So wie das ungewöhnliche Projekt 736: Der BUGGY auf Basis des serienmäßigen Stufenheckmodells 110 knüpfte an die Autocross-Rennwagen an, mit denen die Marke Anfang der 1970er-Jahre Erfolge gefeiert hatte. Das ,türlose Personen-Cabriolet‘ mit dem 33 kW (45 PS) starken 1100er-Motor überzeugte speziell im Gelände durch große Wendigkeit. Der letzte der fünf gebauten Prototypen entstand 1975. Er zählt heute zur Sammlung des ŠKODA Museums in Mladá Boleslav und gilt als Urvater der sogenannten Azubi-Cars wie der 2017 vorgestellte ŠKODA ELEMENT, ein Elektro-Buggy auf Basis des CITIGO.

 

ŠKODA BUGGY Typ 736 1973

Gewichtsoptimierter ŠKODA 1100 MB

Ende der 1960er-Jahre eroberte eine spektakuläre neue Motorsportdisziplin Europa: Autocross – Rennen mit minimalistischen Boliden auf unbefestigten Rundkursen, bei denen es durchaus zum Kontakt zwischen den Fahrzeugen kommen kann. In der Tschechoslowakei fand die erste offizielle Veranstaltung im Herbst 1969 in Přerov statt. Schon bald war auch ŠKODA mit von der Partie: Im November 1970 gewann Werksfahrer Milan Žid auf der sogenannten Steeplechase-Pferderennbahn von Pardubice in der Hubraumklasse bis 1.000 ccm. Sein gründlich gewichtsoptimierter ŠKODA 1100 MB kam ohne Stoßfänger und hintere Türen aus, das Interieur wurde auf das Notwendigste reduziert.

ŠKODA BUGGY Typ 736 1973

Böhmischer Fahrzeughersteller dominiert die Meisterschaft

1971 dominierte der böhmische Fahrzeughersteller auch die erste tschechische Autocross-Meisterschaft und setzte schon damals auf eine Art Buggy. Er basierte bereits auf dem ŠKODA 100/110 L, profitierte allerdings von einer um 40 Zentimeter verkürzten Bodengruppe, während die Karosserie weitestgehend durch Überrollbügel ersetzt wurde. Milan Žid blieb erneut in der Einliterklasse ungeschlagen, zugleich konnte Oldřich Brunclík in der nächsthöheren Kategorie dominieren – sein Buggy besaß einen Motor, der dank größerer Bohrung 1.150 ccm Hubraum aufwies. Trotz der erreichten Erfolge verabschiedete sich das Werksteam von ŠKODA im Laufe der Saison 1972 wieder vom Autocross: Die Sportabteilung war mit der Vorbereitung von Renn- und Rallye-Fahrzeugen voll ausgelastet.

Zunehmendes Interesse an Freizeitfahrzeugen

Zur wachsenden Beliebtheit des Autocross kam ein zweiter Trend hinzu: das zunehmende Interesse an reinen Freizeitfahrzeugen wie den ,Dune Buggies‘ und ,Beach Buggies‘ – ein Phänomen, das von den Stränden und Sanddünen Kaliforniens und Floridas nach Europa herübergeschwappt war und mit besonders puristischem Fahrspaß lockte. Die recht einfach gestrickten Mobile wurden oftmals als Bausatz angeboten und fußten zumeist auf der modifizierten Serientechnik von Kleinwagen wie dem VW Käfer, die mit leichten Karosserien aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) kombiniert wurden. In Westeuropa bot sich speziell in der Einliterklasse die moderne Technik von ŠKODA an. Deren sehr konkurrenzfähiger Preis verlockte gleich mehrere Fahrzeugbauer zu eigenen Projekten.

Buggy VF von Francois Vernimmen

Zu den aktivsten europäischen Buggy-Herstellern zählte damals Francois Vernimmen aus dem belgischen Namur. 1971 baute er zwei Exemplare seines Buggy VF auf der verstärkten Bodenplattform des ŠKODA 100, deren Radstand von 2.400 auf 2.240 mm verkürzt wurde. Die offene Karosserie besaß ein Planenverdeck und ansonsten nicht viel mehr als ein Sportlenkrad und Schalensitze. Der im Heck eingebaute Vierzylinder mit 988 ccm Hubraum und einer Leistung von 31 kW (42 PS) sowie das Vierganggetriebe entsprachen dem Stufenheck-Serienmodell. Nach seiner Weltpremiere auf dem Messestand von ŠKODA im Rahmen der Brüsseler Automobilausstellung im Januar 1972 entstanden innerhalb von drei Jahren rund 30 Exemplare dieses Fahrzeugs, das ab 1973 unter dem Modellnamen VF Okapi lief und auch mit einem 1.107 ccm großen Motor zur Verfügung stand.

Ähnliche Spezialanfertigungen vertrieb Motorest, seinerzeit als Generalimporteur von ŠKODA in Italien tätig. Tatsächlich handelte es sich bei dem im November 1972 auf der Turiner Automobilausstellung vorgestellten ,Kirby‘ aber um eine Entwicklung des Kleinstwagenherstellers Autozodiaco aus Pianoro nahe Bologna. Der offene Zweisitzer basierte ebenfalls auf dem ŠKODA 100, dessen 2.400-Millimeter-Radstand aber unverändert übernommen wurde. Ebenso wie der VF besaß der ,Kirby‘ neben einem Rohrrahmen, der die Windschutzscheibe hielt, zur Sicherheit auch einen hinteren Überrollbügel. Insgesamt blieb es aber bei nur zwei Exemplaren, zum Einsatz des leistungsstärkeren 1.107-cm3-Motors kam es nicht mehr.

Škoda Element

ŠKODA ELEMENT 2017

All diese pfiffigen Eigenkonstruktionen blieben auch im Entwicklungszentrum von ŠKODA in Mladá Boleslav nicht unbemerkt. 1973 legte die Marke das Projekt 736 auf Kiel: Der ŠKODA BUGGY sollte zeigen, ob ein ähnliches Fahrzeug für den Export geeignet wäre und damit aus geschäftlicher Sicht Sinn ergeben würde. Im Sommer 1976 hatte der putzige Prototyp alle Tests bestanden. Technisch basierte er auf dem 110 L. Dessen Radstand hatten die Konstrukteure auf 2.000 Millimeter gekürzt und die Bodenplattform mit zwei Längsstreben, einem Rohrrahmen um die Windschutzscheibe und einem höheren Überrollbügel über den Köpfen von Fahrer und Beifahrer versteift. Das Design der offenen Metallkarosserie, die als 2+2-Sitzer immerhin Platz für vier Personen bot, entstammte der Feder von Josef Čech. Entstand das erste Exemplar noch unter tatkräftiger Mithilfe der Entwicklungsabteilung, die auch für die Lackierung sorgte, so wurden die weiteren vier Exemplare bis Oktober 1975 von den Auszubildenden des Autoherstellers in der firmeneigenen Berufsschule per Hand zusammengeschraubt. Damit legten sie die Grundlage für zahlreiche weitere ,Azubi‘-Cars wie zum Beispiel den 2017 vorgestellten ŠKODA ELEMENT. Der fahrfertige Strandflitzer mit Solar-Panel, Smart-TV, Kühlbox und mobiler Disco an Bord basierte auf dem CITIGO, kam aber ebenfalls ohne Dach und Türen aus – ein klassischer offener Buggy. Angetrieben wurde der Zweisitzer von einem kompakten Elektromotor mit 60 kW (82 PS) und einem Drehmoment von 210 Newtonmeter.

Zurück zum ŠKODA BUGGY von 1973: Von den belgischen und italienischen Angeboten unterschieden sich die Werks-Prototypen durch ihre besser durchdachte Konstruktion. So trug zum Beispiel die Positionierung des Kühlers, der Batterie und des 40-Liter- Kraftstofftanks im Vorderwagen maßgeblich zu einer günstigeren Gewichtsverteilung und ausgewogeneren Achslasten bei. Massive Rohrrahmen schützten die Front- und Heckpartie. Besonders ins Auge fielen die beiden Scheinwerfer, die auf der vorderen Karosserieabdeckung angeschraubt waren, sowie das von einer Hülle geschützte Reserverad auf der Motorhaube hinten. Für Vortrieb sorgte der 1.107 ccm große und 33 kW (45 PS) starke Vierzylindermotor aus dem ŠKODA 110. Auch dank seines Drehmoments von 74 Newtonmeter, das bei 3.000 Umdrehungen zur Verfügung stand, hatte er mit dem Leichtgewicht wenig Mühe: Der 3,32 Meter kurze BUGGY brachte nur 710 Kilogramm auf die Waage, durfte aber 400 Kilogramm zuladen. Genug für vier Personen plus Gepäck, für das es allerdings keinen separaten Stauraum gab. Nur wer zu zweit unterwegs war, durfte die Rückbank als immerhin 980 Millimeter breite Ablagefläche nutzen. Vor Regen konnten sich die Insassen durch ein Textilverdeck und Seitenteile mit transparenter Folie schützen. Auf den Barum-Straßenreifen der Dimension 165 SR 13 – das Geländeprofil hatte die Größe 175 SR 13 – erreichte der Prototyp bei halber Zuladung eine Höchstgeschwindigkeit von 107 km/h, während sich der Durchschnittsverbrauch auf 8,3 Liter pro 100 Kilometer beschränkte.

30.000 km zurückgelegt

Fast 30.000 Kilometer legte der ŠKODA BUGGY Typ 736 bei Testfahrten zurück. Deren positive Ergebnisse genügten trotzdem nicht, um die Serienfertigung dieses Nischenmodells anzustoßen. Und das, obwohl seine Entwickler alternative Lösungen fanden, um die Produktion zu vereinfachen und die damit verbundenen Kosten zu senken. Dies reichte vom Einsatz einer GFK-Karosserie bis hin zu Überlegungen, den BUGGY auch der Polizei oder dem Grenzschutz anzubieten, was leider an der seinerzeit gültigen Gesetzgebung scheiterte. Dafür versah einer der Prototypen nach dem Ende des Projektes auf dem internationalen Flughafen Prag-Ruzyně, der heute den Namen von Václav Havel trägt, Dienst als Follow-Me-Wagen. Ein Exemplar gehört heute zum Bestand des ŠKODA Museums in Mladá Boleslav. Es wurde 2017 sorgfältig restauriert: von den Schülern der firmeneigenen Berufsschule, deren Vorgänger bereits in den 1970er-Jahren den Bau des ungewöhnlichen Automobils in der Hand hatten!

Fotos: ŠKODA AUTO Deutschland GmbH