Audiogenuss im Auto in Highend-Qualität – dieses Technikfeld gewinnt immer mehr an Bedeutung. Audi treibt auch hier den Fortschritt voran, von der Spitze aus. Seit Jahren schon setzt die erfolgreiche Kooperation mit den Premium-Lieferanten Bang & Olufsen und Bose Maßstäbe. Unabhängig davon haben sich die Audi-Entwickler breit gelagertes eigenes Know-how aufgebaut. Ihr jüngstes Projekt folgt einem völlig neuen technischen Ansatz – es könnte die nächste Revolution auf dem HiFi-Sektor werden.
62 Lautsprecher: Das Projekt Audi Sound Concept
Wenn Peter Gleim den Regler aufdreht, leuchten seine Augen. Der Diplomingenieur arbeitet in der Infotainment-Entwicklung von Audi in Ingolstadt und leitet dort das Projekt Audi Sound Concept. Sein Studienobjekt ist ein Q7 – äußerlich serienmäßig, im Inneren zu einem rollenden HiFi-Studio umgebaut, das einem radikal neuartigen Denkansatz folgt.
Die Idee hinter Audi Sound Concept ist ein physikalisches Prinzip mit der Bezeichnung Wellenfeldsynthese. Es besagt, dass die Front jeder beliebigen Welle auch als Überlagerung einzelner Wellen betrachtet werden kann. In der Akustik heißt das: Eine Schallwelle lässt sich durch eine Vielzahl kleiner Schallquellen nachbilden, die dicht nebeneinander entlang der Wellenfront platziert sind.
Ende der 80er Jahre setzen niederländische Wissenschaftler das Prinzip erstmals in die Praxis um. Heute lässt es sich in einem Kino in Ilmenau/Thüringen erleben. In den „Linden-Lichtspielen“ wird jeder der 192 einzelnen Lautsprecher von einem schnellen Rechner separat angesteuert – in dem Moment, in dem die virtuelle Wellenfront seinen Raumpunkt durchlaufen würde. Einige Signale werden, je nach Lage des Lautsprechers, um Millisekunden verzögert. Das Resultat fasziniert: Jeder Besucher erlebt an seinem Platz den perfekten akustischen Raumeindruck in optimaler Klangqualität.
Zu den treibenden Kräften auf dem Gebiet der Wellenfeldsynthese gehört das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Ilmenau. Mit ihm zusammen hat Audi vor fünf Jahren seine Entwicklungsarbeit gestartet. Der Zwischenstand von heute ist der Q7-Prototyp, der in einer Werkstatt steht. Ein mächtiger Verstärker nimmt einen Großteil des Gepäckraums ein, dicke Kabel verbinden ihn mit drei PCs.
Im Innenraum des Audi Q7 sind 62 Lautsprecher installiert – je fünf Tief- und Hochtöner sowie 52 Mitteltöner, die in der Instrumententafel unter der Frontscheibe, in den Dachpfosten und in den Türen sitzen. Jeweils fünf Einheiten sind in jede Türbrüstung integriert, handwerklich perfekt wie immer bei Audi – Spezialisten haben das Blech ausgeschnitten, neue Blenden gefertigt und die Griffe der Türbetätigung nach unten verlegt.
„Und jetzt werden Sie gleich staunen“, sagt Peter Gleim und dreht den Regler auf – mit diesem Leuchten in den Augen. Ein Klang wie eine Gewitterwolke dringt aus den Lautsprechern, ein kunstvoller Mix aus Musik, Verkehrslärm und Tierstimmen. Eine Sprecherin führt den Zuhörer durch das akustische Tohuwabohu, sie tanzt mal rechts, mal links an ihm vorbei. Und überall um die eigenen Ohren herum fahren Autos und brüllen Löwen; eine Musikkapelle scheint quer durch den Q7 zu marschieren, und zuletzt fliegt noch ein Hubschrauber eine Runde unter dem Dachhimmel.
„Das ist speziell hergestelltes Wellenfeldmaterial“, sagt Gleim, „es besteht aus bis zu 32 Tonspuren, zu jeder existiert eine eigene Rauminformation. Auf dem Markt gibt es solche Tonträger nicht, weil es auch keine Abspielgeräte gibt. Aber einige Filmstudios produzieren schon mit dem Verfahren.“
Neuer Stereoklang: Die breite virtuelle Bühne
Die Wellenfeldsynthese ist jedoch nicht auf spezielles Material angewiesen, um ihre Stärken auszuspielen – sie holt auch aus konventionellen Stereosignalen ganz neue Soundbilder heraus. Gleim erklärt: „Wir können ja jede Wellenfront simulieren. Bei Stereo können wir einen Klang erzeugen, als ob die beiden Lautsprecher weit außerhalb des Autos stünden. Und wir können jeden beliebigen Raumeindruck dazurechnen – nicht als Soundeffekt, sondern als mathematisch exakte Simulation.“
Auch hier überzeugt die Hörprobe: Die Gesangsstimme kommt von weit links ans Ohr, scheinbar aus einer Ecke der Werkstatt, die Gitarre aus der anderen Ecke. Dieser Eindruck bleibt immer gleich, egal ob der Hörer hinter dem Lenkrad oder auf dem rechten Platz im Fond des Audi Q7 sitzt. Und die Klangqualität ist stets first class – mit perlenden Höhen, kristallklaren Mitten und einem trockenen Bass; selbst das leichte Schnarren der Saiten beim Anschlag der Finger dringt mit höchster Präzision ans Ohr.
„Unser Ziel war es, das technisch Machbare darzustellen, die Grenzen auszuloten“, erklärt Denis Credé, Leiter der Soundentwicklung bei Audi. „Die Erkenntnisse, die wir gewinnen, werden wir in die Soundsysteme von morgen integrieren. Das ist wie im Motorsport: Vieles von dem, was zuerst auf den Rennstrecken dieser Welt ausprobiert wird, findet sich später in abgewandelter Form in den Serienfahrzeugen wieder. Das Projekt Audi Sound Concept ist der Motorsport für Soundsysteme.“
Breites Know-how: Die Entertainment-Entwicklung von Audi
Audi Sound Concept ist das fortschrittlichste Projekt der Entertainment-Entwickler in Ingolstadt. Audi hat sich auf dem Technikfeld HiFi binnen kurzer Zeit ein breit gelagertes Know-how aufgebaut. Vor gut 20 Jahren nahm die Marke die Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Edel-Lieferanten Bose auf, um die Jahrtausendwende begann die Kooperation mit Bang & Olufsen.
Ab Herbst 2005 stattete Audi die Luxuslimousine A8 auf Wunsch mit dem advanced sound system der dänischen Klangzauberer aus. Die 14 aktiven Lautsprecher, unter ihnen zwei akustische Linsen, ihre Gitter aus eloxiertem Aluminium und die 1.100 Watt Verstärkerleistung brachten zum ersten Mal Highend-Sound ab Werk ins Auto. Die offen propagierte Zusammenarbeit der beiden Unternehmen war ein weiteres Novum in der europäischen Automobilindustrie. Sie erwies sich für beide Seiten als großer Erfolg – das advanced sound system erreicht im A8 und im Q7, wo es lieferbar ist, Bestellraten über 10 Prozent.
Wenn ein neues Audi-Modell ein neues Premium- oder Advanced-Soundsystem bekommen soll, läuft dessen Entwicklung in erster Linie bei Bose und Bang & Olufsen ab. Die Audi-Ingenieure schreiben präzise Lastenhefte, in denen neben dem Systemlayout – der Art, der Anzahl und den Einbauorten der Lautsprecher –auch die Lautsprechereigenschaften, die Auslegung des Verstärkers und eine zum Fahrzeug passende klangliche Zielvorstellung vorgegeben sind.
Prototypen-Fahrzeuge werden ins schwäbische Esslingen und ins dänische Struer geschickt, wo die Partner an den Lautsprechern, Boxen, Verstärkern und Akustik-Algorithmen arbeiten. Zuletzt erledigen sie den klanglichen Feinschliff gemeinsam mit den Audi-Spezialisten in Ingolstadt. Die „Soundkommission“, eine Runde mit Vertretern aller Unternehmensbereiche, übernimmt die Endabnahme und die Freigabe.
Wie nahe ist der Highend-Sound in einem neuen Audi A8 an der Wirklichkeit der Aufnahme? „Die Einbauräume im Fahrzeug und die Qualität der Komponenten sind immer die Grundlage“, erklärt Gleim. „Wenn Sie das Auto mit dem advanced sound system bestellen, bekommen Sie die besten Lautsprecher, die es gibt. Bei vielen von ihnen bestehen die Membranen aus Glasfaser-Verbundmaterial, ihr Klangbild ist sehr natürlich und linear.“
Der pure Klang ist technisch machbar – aber nicht erwünscht. „Ein linearer Frequenzgang im Auto wäre langweilig“, sagt Peter Gleim. Der enge Innenraum erlaubt es dem Schall nicht, sich auszubreiten wie im Wohnzimmer; Polster und Bezüge schlucken ihn, deshalb muss man die tiefen Frequenzen in gewissem Umfang überhöhen. Das elektronische Feintuning – die Abstimmung der Algorithmen im Soundprozessor – besorgt diesen Schliff.
„Wir geben unseren kompakten und sportlichen Modellen einen gewissen Spaßfaktor mit“, erklärt der Sound-Entwickler. „Im A8 und im Q7 hingegen ist der Klang feiner und natürlicher. Aber das endgültige Ideal gibt es nicht, denn jeder Mensch nimmt Höreindrücke auf seine eigene Weise wahr.“
Eigene Entwicklung: Die Audi-Soundsysteme
Unterhalb der Highend- und Premium-Systeme bietet die Marke mit den Vier Ringen weitere Lösungen wie das Audi Soundsystem an, die ebenfalls durch ihren technischen Aufwand und die aus ihm resultierende Wiedergabequalität begeistern. Für ihren Aufbau und ihre Abstimmung ist Audi allein zuständig, deshalb haben sich die Entwickler eine umfangreiche Grundlage geschaffen.
Im Elektronikcenter im Werk Ingolstadt, das 2003 bezogen wurde, befindet sich ein Soundlabor. Hier werden die Soundsysteme in der Entwicklungsphase auf Herz und Nieren getestet. Die Ingenieure messen die Lautsprecher und Verstärker, die ihnen die Zulieferer anbieten, ab dem ersten Musterstand nach und beurteilen die abgelieferte Qualität, auch in aufwändigen Hörvergleichen.
Die Ausstattung des Labors repräsentiert einen hohen einstelligen Millionenwert – von den Mikrofonen über den speziell nach Audi-Vorgaben entwickelten Verstärkermessplatz bis zum so genannten Laser-Vibrometer. Es tastet per Laser die Oberflächenschwingungen ab, die an der Membran des Lautsprechers, an seinem Gehäuse oder an der Fahrzeugtür, in der er eingebaut ist, auftreten.
Die farbigen Grafiken, die dabei entstehen, zeigen genau an, wenn die Membran nicht auf ihrer vollen Fläche sauber einschwingt. „Schwächen im Lautsprecher sind oft eine einfache Designfrage“, sagt Gleims Kollege Wolfram Jähn. „In vielen Fällen kann sie der Hersteller mit kleinen Änderungen lösen, etwa mit Feinheiten der Wölbung oder der Überlappung der Pappe mit dem Gummi am Wulst.“
Die Analysen der Lautsprecher im Audi-Soundlabor finden im Messraum statt, einer Raum-im-Raum-Konstruktion. Er ruht auf dicken Elastomerlagern und ist vom Rest des Gebäudes völlig abgekoppelt – was auch nötig ist, denn in seiner unmittelbaren Nähe liegt ein Rollenprüfstand.
Der Messraum ist auf allen sechs Seiten mit großen Glasfaser-Keilen ausgekleidet, die mit Seide überzogen sind und den Schall brechen. Ein schwebendes Drahtgitter dient als Fußboden.
Der Messraum ist schalltot, hier verliert auch die menschliche Stimme ihre Fülle. Häufig dient er auch zur Verfeinerung der Bediengeräusche im Innenraum – für den Feinschliff der klickenden Drehregler und Schalter. „Eine solche Anlage hat unseres Wissens kein Wettbewerber“, sagt Jähn.
Der Hörraum: Reset für die Ohren
Während der Messraum der mathematischen Analyse dient, ist der benachbarte Hörraum auf das subjektive Erleben zugeschnitten. Auch er ist eine akustisch optimierte Raum-im-Raum-Konstruktion – die speziellen doppelten Holzwände, mit Dämmmaterialien hinterlegt, lassen nur die erwünschten linearen Reflexionen zu. Die exakt eingemessene Highend-Anlage, die hier steht, hat rund 100.000 Euro gekostet, ihre Röhren-Endstufen haben das Format kleiner Kühlschränke.
„Der Hörraum ist unsere akustische Lupe“, erklärt Wolfram Jähn, „hier überprüfen wir, was wirklich auf einer CD oder DVD ist. Das ist deshalb wichtig, weil sich das Gehör rasch an ein Klangbild gewöhnt und manchmal Fehler als interessante Effekte bewertet. Wir testen Musterlautsprecher blind, wir können sie mit dem Optimum vergleichen und einen Reset für unsere Ohren machen.“
Dank dieser aufwändigen Messungen und Vergleiche können die Sound-Entwickler von Audi den Lautsprecher-Lieferanten detaillierte Vorgaben machen.
Ein weiterer Erfolgsbaustein ist die enge Vernetzung zwischen der Technischen Entwicklung, der Produktion und der Qualitätssicherung bei Audi. Durch sie können Anforderungen aus dem Produktionsalltag und Erkenntnisse aus dem Kundenalltag frühzeitig in die Entwicklung neuer Soundsysteme einfließen.
Dadurch ist die Qualität der Soundsysteme in den letzten Jahren deutlich höher geworden, wie Sound-Entwickler Peter Gleim sagt. Und die Ingenieure lernen immer weiter dazu – mit hoher Geschwindigkeit, Tag für Tag. Audi wird seine Führungsrolle auf dem Highend-Sektor weiter ausbauen.
Foto: Audi
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