Immer mehr Autofahrer entfernen sich unerlaubt vom Unfallort, nachdem sie einen Sachschaden verursacht haben. Zu diesem Schluss kommt der ACE Auto Club Europa; er hatte zuvor die Angaben von Polizeibehörden mehrerer Bundesländer ausgewertet. Demnach dürfte allein die Zahl der angezeigten Fluchtdelikte pro Jahr bei deutlich über 500.000 liegen. Der ACE schätzt den Umfang der Unfallfluchten noch viel größer ein, weil nicht jeder Schaden überhaupt bekannt und angezeigt wird.
Nach einer Sonderauswertung des ACE nahm beispielsweise die Unfallflucht 2013 in Bayern gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent und in Baden-Württemberg um 2,2 Prozent zu. Steigende Zahlen gibt es in Berlin (2,1 Prozent), Hessen (1,1), Nordrhein-Westfalen (0,4), dem Saarland (1,7), Sachsen-Anhalt (0,1) und Thüringen (2,3).
Basis der ACE-Erhebung zur Unfallflucht waren die Unfallstatistiken in elf Bundesländern für das Jahr 2013 und in Niedersachsen für das Jahr 2012. Für die Gesamtzahl aller Unfallfluchten wurden die Daten für die Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Bremen anhand der Zulassungszahlen hochgerechnet.
Noch immer keine bundesweite Statistik
Teilweise sind regionale Statistiken, in denen alle polizeilich registrierten Fluchten erfasst werden, nur schwer zugänglich oder gar nicht vorhanden. Eine bundesweite Statistik über alle angezeigten Unfallfluchten gibt es nach wie vor nicht. „Damit fehlt ein öffentliches Bewusstsein für die dramatische Entwicklung bei Unfallfluchten mit Sachschäden“, kritisiert ACE-Rechtsexperte Florian Wolf.
Offizielle Statistik liefert verzerrtes Bild
Rund 95 Prozent aller Taten entfallen auf Fluchten nach einer Sachbeschädigung. Ein verzerrtes Bild zeigt die offizielle Statistik. Sie entwickelt sich nämlich positiv, weil dort nur das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nach einem Personenschaden oder schwerem Sachschaden erfasst wird. So sank die Zahl der Beteiligten an einer Unfallflucht nach einem Personenschaden zwischen 2009 und 2013 um 1459 Personen oder 5,3 Prozent. Im gleichen Zeitraum aber stiegen die Unfallfluchten insgesamt beispielsweise in Nordrhein-Westfalen um sechs Prozent, in Berlin um 8,7 Prozent und in Bayern sogar um 13,5 Prozent.
Aufklärungsquoten mager
Möglicherweise verstärken geringe Aufklärungsquoten den Fluchttrend. So wurden beispielsweise in Bayern 2013 nur rund 39 Prozent der Taten aufgeklärt, in Hessen waren es 40 Prozent und in Nordrhein-Westfalen 46 Prozent. Weil es bei Fluchten mit Personenschäden eine höhere Aufklärung gibt, muss schätzungsweise etwa nur jeder dritte Täter, der nach einem Sachsachen flieht, mit Entdeckung rechnen, erläutert der ACE.
Versicherung einschalten lohnt meist nicht
Bei den meisten Unfallfluchten sind die unschuldigen Opfer die Dummen. Zwar tritt die Vollkaskoversicherung für den Schaden am Fahrzeug ein, doch durch eine Selbstbeteiligung von üblicherweise 300 Euro und dem Verlust eines Teils des Schadenfreiheitsrabatts, muss der Betroffene insgesamt meist 1000 Euro selbst bezahlen. Daher werden viele Schäden wohl erst gar nicht gemeldet, vermutet der ACE. So oder so müssen die Opfer die Zeche zahlen, denn spätestens beim Verkauf des Autos, wirkt sich beispielsweise der eingedrückte Kotflügel negativ auf den Preis aus. Selbst wer von einem Flüchtenden verletzt wird, muss mit weniger Schadenersatz als bei einem „normalen“ Unfall rechnen. Zwar tritt in diesen Fällen ein Fonds der Autoversicherer, die Berliner Verkehrsopferhilfe, ein (Tel.: 030 20 20 5858, Email: voh(at)verkehrsopferhilfe.de). Doch die Gerichte gewähren den Opfern in aller Regel ein deutlich höheres Schmerzensgeld als der Verein der Autoversicherer. Bei Sachschäden verlangt die Verkehrsopferhilfe vom Geschädigten grundsätzlich eine Selbstbeteiligung in Höhe von 500 Euro. Am Fahrzeug werden Schäden von der Opferhilfe der Versicherer zudem nur dann ersetzt, wenn auch ein Personenschaden vorliegt.
Harte Strafen
Für eine Unfallflucht gibt es viele Motive. So wollen sich die Täter vielfach ihrer Verantwortung entziehen, weil sie die Kosten fürchten oder ein anderes Vergehen, etwa Alkohol- oder Drogenkonsum, vertuschen möchten. Auch Zeitnot und Angst vor Ärger sind Fluchtgründe. Wer erwischt wird, muss aber harte Konsequenzen in Kauf nehmen. „Selbst bei kleinen Sachschäden an Bäumen, Leitplanken oder parkenden Fahrzeugen ist ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort eine Straftat“, warnt ACE-Verkehrsrechtsexperte Wolf. Unfallflüchtige haben demnach – je nach Schwere der Tat – mit einer hohen Geldstrafe, Punkten in Flensburg, Fahrverbot und sogar Führerscheinentzug zu rechnen.
Die Kaskoversicherung kann eine Leistung für Schäden am Fahrzeug des Täters ganz ablehnen. Die Kfz-Haftpflichtversicherung entschädigt zwar das Unfallopfer, kann sich aber bis zu 10.000 Euro vom Unfallflüchtigen zurückholen.
Der ACE rät jedem Verkehrsteilnehmer, immer am Unfallort zu bleiben und sofort über Handy selbst die Polizei zu verständigen oder verständigen zu lassen. „Wer in der Nacht oder auf einer einsamen Landstraße einen Schaden verursacht darf sich nach einer angemessenen Zeit von rund 30 Minuten vom Unfallort entfernen, muss aber den Schaden sofort anzeigen“, erläutert ACE-Jurist Florian Wolf.
Ganz wichtig: Wer einmal unerlaubt die Unfallstelle verlassen hat, hat stets eine Unfallflucht begangen. Durch tätige Reue, also einer Nachmeldung innerhalb von 24 Stunden, kann der Autofahrer lediglich eine Strafmilderung erreichen.
Die Nachmeldung ist zudem nur dann „gültig“, wenn lediglich ein Kleinschaden an einem geparkten Auto, Straßenzeichen oder sonstigem Gegenstand entstanden ist.
Quelle: ACE
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