Der Name war Programm
Der Fiat Uno läutete 1983 eine neue Ära der italienischen Marke ein, die mit diesem Modell ihre Position als Trendsetter im Segment der Kleinwagen untermauerte. Die kompakte Limousine war nicht nur auf dem europäischen Markt zeitweise die Numero Uno. Zusätzlich zu den bis 1995 in Italien gefertigten zwei Bauserien des Fiat Uno sorgten in zahlreichen Ländern in Asien, Südamerika und Afrika gebaute Lizenzversionen schließlich für eine Gesamtstückzahl von rund neun Millionen. Damit ist der Fiat Uno eines der meistgebauten Autos aller Zeiten.
Alleine in die rund fünf Jahre umspannende Entwicklungsphase investierte FIAT rund eine Billion Lire, nach heutigem Wert mehr als eine Milliarde Euro, mehr als die Marke jemals zuvor für ein neues Serienfahrzeug veranschlagt hatte.
Weltpremiere des Fiat Uno in Cape Canaveral
Die Weltpremiere des Fiat Uno fand im Januar 1983 in Cape Canaveral statt, der Weltraumzentrale der NASA in Florida. Die Heimat der Space-Shuttle stand, wie zu dieser Zeit kein anderer Ort, für den Aufbruch in eine verheißungsvolle Zukunft. Als Nachfolger des Fiat 127 wurde der Fiat Uno (interner Code 146) diesem Anspruch gleich in mehrerer Hinsicht gerecht.
Computergestützte Designmethoden
Zum ersten Mal setzte das Centro Stile FIAT computergestützte Designmethoden ein (Computer Aided Design CAD). Auf diese Weise geriet die Optik des Fiat Uno für die Zeit zukunftsweisend, mit einem großen Innenraum im Ein-Volumen-Format. Das Karosseriedesign stammte vom Studio Italdesign mit Giorgetto Giugiaro an der Spitze. Bis zu einem gewissen Grad markierte der Fiat Uno so auch einen neuen Ansatz in der Arbeit des Centro Stile FIAT, das ab diesem Zeitpunkt verstärkt mit externen Stylisten zusammenarbeitete.
Das geradlinige Karosseriedesign ohne herkömmliche Regenrinne, mit Einarmscheibenwischer und versenkten Türöffnern führte zu einem für die Zeit hervorragenden Luftwiderstandsbeiwert von 0,33. Ein geänderter Kühlergrill senkte bei der zweiten Serie ab 1989 den cw-Wert sogar auf 0,30. Radaufhängungen mit Federbeinen an der angetriebenen Vorderachse und die Verbundlenkerachse hinten sorgten für ein sicheres Fahrverhalten.
Völlig neue Produktionsmethoden
Der mit drei oder fünf Türen gebaute Fiat Uno markierte auch die Einführung völlig neuer Produktionsmethoden bei FIAT. Dazu wurden die Werke Mirafiori und Rivalta (beide Italien) mit einem Kostenaufwand von mehr als einer Billion Lire modernisiert. Der Fiat Uno war eines der ersten Fahrzeuge weltweit, das weitgehend automatisch gefertigt wurde. In Karosseriebau und Lackiererei arbeiteten fast ausschließlich Roboter – 1983 ein Meilenstein in der Automobilfertigung.
Dieses Robogate genannte System war eine Entwicklung von Comau, einem auf Industrieautomation spezialisierten Unternehmen der damaligen FIAT Gruppe. Schweißroboter kamen seit 1978 im Werk Rivalta für die Produktion des Modells Ritmo zum Einsatz. Für die Fertigung des Uno wurden das Werk Rivalta und außerdem das Werk Mirafiori mit modernsten Robotern für Schweißarbeiten, Montage und Lackierung ausgestattet. Ziel dieser Anstrengungen war es, eine höchstmögliche Produktqualität zu erreichen.
„Der Fiat Uno war ein in seiner Gesamtheit ein innovatives Projekt. Vom Design mit Hilfe von CAD bis zur Produktion verkörperte er eine Revolution im Automobilbau. Die Karosserie des Fiat Uno war erstmals daraufhin konstruiert, von Robotern geschweißt zu werden. Damit wurden bei den Vorgängermodellen kritisierte Schwachstellen eliminiert.“
Roberto Giolito, Leiter von Stellantis Heritage
Neue Motorenfamilie
Ende 1985 erhielt der Fiat Uno außerdem Motoren aus einer neu konstruierten Triebwerksbaureihe mit dem Namen FIRE. Die Abkürzung für Fully Integrated Robotized Engine symbolisierte: Die Motoren wurden im Werk Termoli vollständig von Robotern montiert, wiederum ein Quantensprung in der Produktionstechnologie.
Die neuen Motoren bestanden aus weniger Komponenten als andere Triebwerksbaureihen und brachten mit durchschnittlich rund 69 Kilogramm auch weniger Gewicht auf die Waage. Die Konstruktion war mit obenliegenden Nockenwellen außerdem moderner sowie einfacher zu montieren. Die hohe Verarbeitungsqualität führte zu deutlichen Fortschritten bei der Zuverlässigkeit. Innerhalb der folgenden 35 Jahre produzierte FIAT rund 23 Millionen Motoren der FIRE-Familie.
Zahlreiche Auszeichnungen, fantasievolle Werbung
Schon kurz nach dem Marktstart wählten Fachjournalisten den Fiat Uno zum „Auto des Jahres 1984“ in Europa. Es folgten zahlreiche weitere internationale Auszeichnungen, darunter in Deutschland fünf Mal die Wahl zum „Auto der Vernunft“ durch die Leser des Fachmagazins „mot“.
Aufsehen erregte der Fiat Uno im Heimatland Italien auch durch eine neue Form der Werbung. Statt nüchterner Fakten beschrieben gezeichnete Cartoons des politischen Karikaturisten Giorgio Forattini die Vorzüge des Fiat Uno. Comicfiguren wie Elefanten, Schweine und Pinguine wiesen humorvoll auf das Platzangebot und die sparsamen Motoren des Fiat Uno hin. Die Werbung war so erfolgreich, dass einige darin verwendete Kunstworte Einzug in die italienische Alltagssprache hielten. Für Verblüffung sorgte außerdem eine Broschüre, die aufgeklappt als kleiner Schallplattenspieler funktionierte und ihre Botschaft mit fröhlicher Stimme verkündete.
„Die damalige Kampagne war sensationell und revolutionär, weil sie erstmals die Welt des Automobils beschrieb, indem sie die Fantasie des Betrachters anregte.“
Roberto Giolito, Leiter von Stellantis Heritage
Dieser Stil sprach vor allem junge Menschen an.
„Darüber hinaus baute die Werbung aber auch auf eher kommerzielle Bilder, bei denen der italienische Charakter des Fiat Uno im Mittelpunkt stand.“
Maurizio Torchio, Leiter des Centro Storico Fiat
Im Heritage Hub, der großen Oldtimer-Sammlung der Marken FIAT, Abarth und Lancia in Turin, steht ein Fiat Uno Selecta, der mit einem stufenlosen CVT-Getriebe ausgerüstet ist. Das Fahrzeug ist Zeuge der Strategie von FIAT, Automatikgetriebe als einer der ersten Hersteller auch im Kleinwagen-Segment anzubieten.
Fiat Uno Turbo – der Italiener im Feld der Kompaktsportler
Die Domäne des Fiat Uno lag naturgemäß bei besonders sparsamen Motoren. Die Leistungsbandbreite der Benziner begann bei 33 kW (45 PS) beim Vierzylinder mit 900 Kubikzentimetern Hubraum und endete beim 1,3-Liter-Motor mit 50 kW (68 PS). Bei den Dieseltriebwerken reichte das Spektrum von 33 kW (45 PS) bis 44 kW (60 PS).
Doch 1985 ergänzte FIAT eine Modellversion, die sich schnell im umkämpften Segment der Hot Hatches, der Kleinwagen mit hoher Motorleistung, einen Namen macht. Im Rahmen des Formel-1-Rennens in Rio de Janeiro bekamen Fachwelt und Publikum zum ersten Mal den Fiat Uno Turbo zu sehen. Unter dessen Motorhaube steckte ein mit Hilfe von Ferrari entwickelter Turbobenziner. Aus 1,3 Litern Hubraum produzierte der Vierzylinder dank Ladeluftkühler, Ölkühler, Benzineinspritzung und Zündsystem von Formel-1-Spezialist Magneti Marelli muntere 77 kW (105 PS). Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h war der Fiat Uno Turbo eines der schnellsten Fahrzeuge im Segment. Sportfahrwerk mit Leichtmetallfelgen und Niederquerschnittsreifen, Frontspoiler, Katalysator, Anti-Blockiersystem für die Bremsen (beides ab Herbst 1987) und ein kleiner Dachspoiler waren weitere technische Merkmale.
„Der Fiat Uno Turbo war eines der ersten Modelle aus dem Segment der Hot Hatches. Auch mit der Verwendung des Turboladers beschritt FIAT neue Wege in dieser Fahrzeugklasse“
Roberto Giolito, Leiter von Stellantis Heritage
Bestseller in Europa und weltweit
Der Fiat Uno schwang sich zum meistverkauften Fahrzeug seiner Klasse in Europa auf. Schon knapp zwei Jahre nach der Markteinführung lief das millionste Exemplar vom Band. In der Bundesrepublik Deutschland war der Fiat Uno zeitweise Importwagen Nummer 1. Bis zum Wechsel auf die zweite Bauserie im Jahr 1989 entschieden sich weltweit rund vier Millionen Käufer für den Fiat Uno und seine in Lizenz in anderen Ländern produzierten Derivate.
Auf der IAA 1989 in Frankfurt hatte die zweite Generation des Fiat Uno Weltpremiere. Auffallendste Merkmale waren der geänderte Kühlergrill mit schmaleren Scheinwerfern, die aerodynamisch günstigere Heckklappe und die größeren Stoßfänger. Der Innenraum wies unter anderem neu gestaltete Sitze auf, die Serienausstattung wurde erweitert. Die Benziner aus der FIRE-Baureihe leisteten nun zwischen 43 kW (58 PS) und 55 kW (75 PS).
Ab 1991 trug der Fiat Uno Turbo den Zusatz Racing im Namen. Zu erkennen war er an Leichtmetallfelgen, einem roten Zierstreifen und einem zusätzlichen Lufteinlass im vorderen Stoßfänger. Mit auf 1.372 Kubikzentimeter vergrößertem Hubraum und optimiertem Turbolader leistete der Vierzylinder nun 82 kW (111 PS) in der Katalysator-Variante.
Lizenzfertigung noch bis ins 21. Jahrhundert
Im September 1993 trat der Fiat Punto die Nachfolge des Fiat Uno an. Das Modell Uno wurde allerdings zunächst weiter gebaut, in den italienischen Werken auf drei Modellversionen reduziert. Erst 1995, nach knapp über sechs Millionen produzierten Exemplaren, lief endgültig der letzte Fiat Uno in Italien vom Band.
Doch damit war der Lebenszyklus der Baureihe noch lange nicht beendet. So diente der Fiat Uno als Starthilfe für die Wiedergeburt der Marke Innocenti, noch bis 2002 wurde in Polen der Innocenti Mille gefertigt. Auch außerhalb Europas setzte der Fiat Uno seine Karriere weiter fort. In Südafrika wurde er ab 1990 zunächst in Lizenz gebaut, ab 1998 war FIAT selbst für die Produktion zuständig. In Marokko (bis 2003) und in Pakistan (bis 2004) wurde der Fiat Uno im so genannten CKD-Verfahren (Import sämtlicher Einzelteile) montiert. Sogar in Indien (1997-2004) und auf den Philippinen (1992-2000) spielte der Fiat Uno eine Rolle, dort im Rahmen eines Regierungsprogramms zur Motorisierung der Bevölkerung. In Brasilien und Argentinien wurde der Fiat Uno noch bis 2000 produziert.
Ausgerechnet das Land, in dem er vor 40 Jahren Weltpremiere feierte, blieb dagegen ein weißer Fleck auf der Landkarte des Fiat Uno – in den USA wurde das Modell nie offiziell verkauft.
Fotos: Stellantis Germany GmbH