Sechs neue Crash-Test-Dummies
Ford investiert 15,5 Millionen US-Dollar in den Ausbau seiner Crash-Testanlage im Kölner Entwicklungszentrum. Zudem hat der Autohersteller bereits sechs neue Crash-Test-Dummies für 5 Millionen US-Dollar angeschafft. „Das ist eine Investition in den Standort Köln, in die Zukunft unseres innovativen Entwicklungszentrums und natürlich in die Sicherheit unserer Kunden“, betont Jörg Beyer, Geschäftsführer Produktentwicklung der Ford-Werke GmbH. „Unsere neue Anlage ermöglicht, Crash-Tests auf höchstem technologischen Niveau durchzuführen.“
Seit 1968 Crashtests
Schon seit der Gründung des Entwicklungszentrums im Jahr 1968 untersuchen die Ingenieure im Crash-Testzentrum, welche Folgen Kollisionen für die Fahrzeuge und ihre Insassen haben. Seitdem sind die Autos sicherer geworden und die Anforderungen an die Testprozeduren stetig gewachsen. Um den künftigen Bestimmungen von Euro NCAP – der Organisation, die die Fahrzeugsicherheit bewertet – zu genügen, baut Ford nun an die bestehende Anlage einen neuen Flügel. „Bisher fahren wir die Fahrzeuge im Frontalcrash gegen eine feststehende Wand, in Zukunft wird sich diese Barriere ebenfalls bewegen“, erklärt Stephan Knack, Leiter der Crash-Testanlage.
Crashtests noch realistischer
Die Crash-Experten haben festgestellt, dass ein mobiler Widerstand im Vergleich zu einem starren Hindernis Einfluss auf die Unfallfolgen hat, etwa auf die Rotation des Fahrzeugs nach dem Zusammenprall. In Zukunft fahren also Fahrzeug und Barriere mit jeweils 50 km/h aufeinander zu. Bei der Kollision überdecken sich Fahrzeugfront und Barriere zu 50 Prozent. Die neuen Testreihen bilden so einen Frontalzusammenprall von zwei Fahrzeugen noch realistischer ab und ermöglichen damit noch bessere Rückschlüsse für den Entwicklungsprozess.
Um dies zu realisieren, brauchen die Ford-Crash-Tester mehr Platz. Deshalb entsteht derzeit in Merkenich die neue, 100 Meter lange Anlaufbahn. Auf einer Schiene werden hier die Probanden, also die Crash-Test-Dummies in ihren Testkarossen, von einem Stahlseil gezogen und auf das vorgesehene Tempo beschleunigt. Diese Bahn mündet in der Crash-Arena, ebenfalls ein Neubau. In der mehr als 2.000 Quadratmeter großen Halle crasht es dann über einer sechs Meter tiefen Filmgrube mit neuester Video-Technik. Der Aufprall wird nicht nur von unten, sondern auch seitlich und von oben mit High-Speed-Kameras festgehalten. Spezielle Lichtsysteme werden dafür installiert. Die Barriere fährt für den Crash-Test aus der bestehenden Anlage in die Arena ein. Dabei laufen die Mittelachsen von bestehender und neuer Halle genau aufeinander zu.
Den elektrischen Antrieb, der Proband und Barriere beschleunigt, erneuert Ford ebenfalls. Er wird wesentlich leistungsstärker, schließlich sind ja nun zwei Komponenten zu bewegen. Der bisherige Motor hatte eine Leistung von 400 Kilowatt, beim neuen werden es 1.470 Kilowatt sein. Damit die Barriere so realistisch wie möglich ein entgegenkommendes Auto simuliert, besteht ihre Oberfläche aus Aluminium-Waben, deren Wandstärke zunimmt. „Dadurch nimmt die Steifigkeit – wie bei Karossen auch – nach innen immer mehr zu“, erklärt Stephan Knack. Auch künftig wird es noch Tests mit feststehenden Barrieren geben. Dafür entsteht in der Crash-Arena ein Schwerlastfundament für den 130 Tonnen-Betonblock, auf den die Probanden auffahren. Zudem fährt die Anlage Crash-Tests mit Kollisionen von hinten und der Seite.
Neue Crash-Anlage für gesamtes Produktportfolio von Ford geeignet
Mit den sechs neuen Dummies verfügt Merkenich nun über eine 40-köpfige Dummy-Familie, an der die Unfallfolgen für Menschen nachgeahmt werden. Zwar kann man – wie überall in der Fahrzeugentwicklung – immer mehr physikalische Vorgänge am Computer simulieren, so auch bei der Sicherheit. Reale Testreihen mit echten Kollisionen bleiben aber fester Bestandteil der Homologation eines neuen Modells. Stephan Knack schätzt, dass ein Modell wie der Ford Focus mit einer Vielzahl von Motor- und Karosserievarianten rund 70 Mal vor der Typzulassung gecrasht wird. In Merkenich werden im Jahr etwa 250 Autos „vor die Wand“ gefahren. Die neue Anlage ist für das gesamte Produktportfolio von Ford geeignet, vom Fiesta bis zum Transit mit langem Radstand.
Systeme des Insassenschutzes im Fahrzeug, also vor allem Sicherheitsgurte und Airbags, testen die Ford-Ingenieure ohne Crash auf einer so genannten Schlittenanlage. Hier simuliert man das Unfallgeschehen durch enorme Beschleunigungskräfte, wobei die Karosse unbeschädigt bleibt.
Da auf dem Neubaugebiet Waldkäuze und Fledermäuse heimisch waren, hat sich Ford um Ersatzquartiere für die Tiere gekümmert und außerdem neue Bäume gepflanzt. Die neue Anlage soll bis Mitte 2021 fertig gestellt sein. Anschließend wird die bestehende Anlage modernisiert. Das gesamte Projekt will Ford bis Ende 2021 abschließen.
Foto: Ford-Werke GmbH