Der neue Kraftstoff Super E10 hat es nach wie vor nicht geschafft, Auto- und Motorradfahrer zu überzeugen. Die Verweigerung hält an, und die Kritik aufgrund der negativen Umweltbilanz dieser biogenen Spritbeimischung wird lauter. Dabei wird Dieselkraftstoff schon seit Jahren Rapsöl beigemengt, obwohl bekannt ist, dass man ökologisch nichts gewinnt, sondern draufzahlt, wenn auf in Deutschland angebauten Raps zurückgegriffen wird. Die CO2-Bilanz stimmt nicht, die insgesamt aufgebrachte Energie ist höher als das, was eingespielt wird. An der seinerzeit unter dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin getroffenen politischen Entscheidung, Biodiesel auf den Markt zu bringen, wird festgehalten. Amtsnachfolger Sigmar Gabriel (SPD) führte den Kurs fort, obwohl er seine Zweifel hatte: „Biodiesel ist ökologisch nicht das Gelbe vom Ei.“ – Was war Auslöser für die Einführung von Biodiesel? Wer profitiert davon, und wie ökologisch sinnvoll ist der Ethanol-Zusatz? Wir sprachen mit dem Energieexporten Karl-Heinz Schult-Bornemann über die Historie biogener Beimischungen, deren Sinn und Unsinn, über wirtschaftliche Interessenlagen und die Auswirkung auf den Hunger in der Welt.


?: Herr Schult-Bornemann, die Einführung von E10 erhitzt jetzt die Gemüter, doch Biodiesel ist bereits seit Jahren auf den Markt, ohne dass es ähnliche Diskussionen gegeben hat. Warum wurden die biogenen Kraftstoffe überhaupt auf den Weg gebracht?

Schult-Bornemann: Eingeführt wurden biogene Kraftstoffe unter dem Motto, mit ihnen CO2 einsparen zu können. Man nennt das auch Dekarbonisierung des Kraftstoffes. Und da Carbon Kohlenstoff ist, könnte man es auch als die Ent-Kohlenstoffung bezeichnen. Aber das ist schon die erste Lüge, denn mischt man Rapsöl in den Kraftstoff, ist im Kraftstoff genauso viel Kohlenstoff als würde mineralölischer Diesel verbrannt.

?: Angeblich würde durch den Einsatz biogener Bestandteile CO2 eingespart …

Schult-Bornemann: Um die CO2-Bilanz besser darzustellen, rechnet man folgendermaßen: Was an Kohlenstoff verbrannt und bei der Verbrennung zu CO2 wird, sei vorher ja bereits von der Pflanze der Atmosphäre entzogen worden, insofern komme kein neuer Kohlenstoff hinzu. So weit die Rechnung. Aber tatsächlich findet keine Dekarbonisierung statt.

?: Gilt das auch für Ethanol?

Schult-Bornemann: Auch Ethanol ist kein Stoff ohne Kohlenstoff. Da ist nur eben biologisch erzeugter Alkohol drin mit ebenso viel Kohlenstoff, und bei der Verbrennung kommt auch hinten genauso viel CO2 raus wie bei der Verbrennung von Mineralöl. Aber man rechnet, und das kann man so oder so tun. Wird allein der Verbrennungsvorgang betrachtet und das, was vorher an CO2 gebunden wurde, ist das richtig. Nur fährt keiner mit Rapsölpflanzen oder Weizen im Tank, sondern der wird umgewandelt.

?: Was steht am Ende der Kosten-Nutzen-Rechnung?

Schult-Bornemann: Die sogenannten Well-to-Wheel-Analysen begleiten beispielsweise den gesamten Weg von Rapsöl, bevor es im Diesel landet. Das beginnt mit dem Anbau der Pflanze. Und da Raps hierzulande nicht so üppig wächst, muss er kräftig gedüngt werden. In anderen Ländern wie in der Ukraine oder im ehemaligen Jugoslawien wächst er auch ohne Dünger in den Mengen, die man braucht. Wir sind hier schlechter dran, weil hier andere klimatische und Bodenbedingungen herrschen, wir aber sehr viel anbauen. In zwei Monaten ist Deutschland wieder gelb. Allein für die Herstellung des Düngemittels werden bereits 60 Prozent der Energie gebraucht, die man am Ende beim Rapsöl-Diesel gewinnt. Die Düngemittelherstellung ist sehr energieintensiv, denn das eigentliche Düngemittel braucht einen Trägerstoff, der letztlich wieder aus schwerem Heizöl hergestellt wird. Um in Deutschland aber so viel Raps zu ernten, dass es sich auch lohnt, müssen Pestizide eingesetzt werden, damit der Rapskäfer nicht alles auffrisst. Aber auch das Pestizid muss hergestellt und wie schon der Dünger ausgebracht werden. All das muss in die Gesamtenergiebilanz einfließen ebenso wie die Ernte des Rapses und die Verarbeitung in der Rapsmühle. Hinzu kommt, dass die Pestizide die Eigenschaft haben, sich zwar zu zersetzen, aber die an den Pflanzenteilen haftenden Pestizide werden vom Regen abgewaschen und finden sich im Grundwasser wieder. Diese massenhafte Ausbringung von Insektenvertilgungsmitteln stellt eine Benachteiligung des Grundwassers dar.

?: Ist das so gewonnene Rapsöl ohne Weiteres einsatzfähig?

Schult-Bornemann: Das ist erst einmal Rapsöl, wie es als Nahrungsmittel verwendet wird. Biodiesel, der zu 100 Prozent aus Rapsöl besteht, wird B100 genannt und lässt sich nur in bestimmten umgerüsteten Motoren verwenden. Grundsätzlich gibt Ihnen aber kein Hersteller auch nur einen Tag Garantie, wenn Sie B100, also nicht behandeltes Rapsöl, einsetzten.

?: Wie wird es fahrzeugtauglich?

Schult-Bornemann: Dieses 100-prozentige Rapsöl wird in einem chemischen Verarbeitungsschritt, der Veresterung, in Rapsöl-Methylester umgeestert. RME ist das, was jetzt schon seit Längerem dem Diesel in einer Konzentration von jetzt sieben Prozent beigemengt ist.

?: Bleibt am Ende von der durch den Einsatz von Rapsöl-Methylester eingefahrenen Energie überhaupt etwas übrig?

Schult-Bornemann: Wenn Sie zu den 60 Prozent der für die Düngemittelherstellung benötigten Energie auch noch den Energieaufwand hinzuzählen, der für das Ausbringen von Saat, Düngemitteln und Pestiziden, das Mähen, Dreschen und Mahlen sowie die Umesterung nötig ist, haben Sie am Ende mehr als 100 Prozent der gewonnenen Energie eingesetzt, die durch RME überhaupt reingeholt wird. Es war schon bei Rapsöl-Diesel CO2-mäßig ein Zuschussgeschäft. Bedenkt man dann noch die Pestizid-Problematik, kommt man zu dem Schluss wie seinerzeit der ehemalige Umweltminister Sigmar Gabriel, dass das nicht das Gelbe vom Ei sei.

?: Warum hat man dennoch an der Biosprit-Beimischung festgehalten?

Schult-Bornemann: Dahinter stand die Idee, die deutschen Bauern auf diese Art und Weise zu subventionieren.

?: Ist die Rechnung aufgegangen?

Schult-Bornemann: Nein, und zwar deshalb, weil die benötigten Mengen gar nicht hergestellt werden konnten, und Importe viel billiger waren als das in Deutschland hergestellte Rapsöl. Mindestens 50 Prozent des in Deutschland eingesetzten Rapsöl-Methylesters kommen aus dem Ausland, sodass das ursprüngliche Subventionskonstrukt ein Schlag ins Wasser war. Dazu hat beigetragen, dass z.B. Öle aus den USA eingeführt wurden, die dort subventioniert wurden.

?: Mit welchen Auswirkungen?

Schult-Bornemann: Gerade Jürgen Trittin hatte die Rapsöl-Gewinnung als den Clou der Zukunft dargestellt. Vor allem mittelständische Betriebe sind in Investitionen gelockt worden, um Rapsölmühlen und Umesterungsanlagen zu bauen. Denn nur bei der Beimischung von RME blieb die Herstellergarantie der Fahrzeuge erhalten. Das galt ausschließlich für den Zusatz von Rapsöl-Methylester, nicht aber für 100-prozentiges, unbehandeltes Öl. In Deutschland gab es vor fünf Jahren eine etwa doppelt so große Kapazität von Rapsölmühlen und Umesterungsanlagen wie hier überhaupt abgesetzt werden konnte. Der Mittelstand startete seinerzeit eine Kampagne unter dem Motto: „Reingelockt und abgezockt“. Damals wurde sehr viel privates Geld verbrannt, weil viele auf diese Zusagen der Regierung vertraut haben, dass der Anteil von RME steigen würde und sie mit den Investitionen Geld verdienen könnten. Mittlerweile fährt praktisch niemand mehr mit B100. Doch das war die Voraussetzung für halbwegs realistische Mengenschätzungen. Heute sind bundesweit sieben Prozent RME im Diesel Standard.

?: Warum sieben Prozent?

Schult-Bornemann: Den Mineralölgesellschaften war nach dem Biokraftstoffquotengesetz eine Quote vorgegeben worden, nach der 5,25 Prozent der gesamten abgesetzten Menge aus Biokraftstoffen bestehen muss. Und diese 5,25 Prozent konnten sie nur erreichen, indem sie dem Diesel sieben Prozent zugaben. Sieben Prozent haben erst einmal gereicht; auch wären größere Mengen gar nicht da.

?: Wie kam es zu diesen Vorgaben?

Schult-Bornemann: Hintergrund der deutschen Gesetzgebung ist eine EU-Richtlinie, die unter starker Beteiligung, sprich: starkem Engagement, der Deutschen zustande gekommen ist. Danach sind bis 2020 gewisse Minimumanteile am Kraftstoff aus biogenen Stoffen vorgeschrieben. Die Umsetzung im Einzelnen bleibt den Ländern überlassen.

?: Die Energieeffizienz des Biodiesels ist praktisch ein Flop. Warum wird dieses Prinzip mit E10 jetzt auch noch beim Benzin durchgedrückt?

Schult-Bornemann: Mit den sieben Prozent im Diesel kommt man nicht auf die Werte, die die EU in Zukunft im Auge hat. Bis 2020 will die EU den CO2-Ausstoß der Autos auf 120 Gramm pro Kilometer begrenzen. Die Umsetzung dieses Ziels ist abermals Ländersache, und es kam zu langen Verhandlungen zwischen Automobilherstellern und der Regierung, die wieder einmal ein bisschen mehr umsetzen wollte als von der EU vorgeschrieben. Vor allem die deutschen Autobauer mit ihren großvolumigen und starken Motoren haben gegenüber ausländischen Marken wie Fiat oder Renault mit durchschnittlich kleineren Motoren natürlich immer das Nachsehen, weil die Bemessungsgrundlage die Flottenverbräuche sind. Am Ende stand ein Kompromiss. Man einigte sich auf 140 statt 120 Gramm CO2-Ausstoß mit der Maßgabe, den Rest über den Kraftstoff reinzuholen.

?: Deshalb griff man zum Benzin?

Schult-Bornemann: Ethanol war mit E5 ja ohnehin schon zu fünf Prozent im Benzin enthalten. Ethanol ins Benzin zu mischen, führt einmal zu steigendem Verbrauch, weil Ethanol nur über zwei Drittel des Energiegehaltes von Benzin verfügt. Der Verbrauch steigt, und der Finanzminister reibt sich die Hände, denn E10 wird genauso besteuert wie E5 oder Benzin ohne jede Bioethanolbeimischung. Mit der Einführung des kosmetischen Sprits ist das Mineralölsteuergesetz auch umbenannt worden in „Energiesteuergesetz“, denn Ethanol ist ja kein Mineralöl.

?: Wie ist die Energiebilanz von Ethanol?

Schult-Bornemann: Die CO2-Bilanz bei Ethanol ist zwar nicht so schlecht wie bei Rapsöl, aber um eine Dekarbonisierung des Kraftstoffes handelt es sich auch hier nicht. Der Kohlenstoff wird wieder berechnet, als würde er voll und ganz aus der Luft gekommen sein. Das ist aber nur ein Teil des Herstellungsprozesses, nämlich das Wachstum. Alle anderen sich anschließenden Prozesse wie das Vergären usw. müssten noch mit einbezogen werden. Unterm Strich ist das Verhältnis aber nicht ganz so negativ wie bei Rapsöl.

?: Woher stammt die Idee zu derart fragwürdiger Spritpolitik?

Schult-Bornemann: Die Idee stammt aus Amerika. Angefangen haben die Brasilianer schon vor 30 Jahren Ethanol statt Benzin einzusetzen, weil sie kein eigenes Öl hatten. Dafür hatten sie reichlich Zuckerrohr, das bei der Ethanolherstellung in jeder Hinsicht unschlagbar ist. Nichts bringt pro Hektar auch nur annähernd einen so hohen Ertrag an Ethanol wie Zuckerrohr. Schon vor vielen Jahren haben die Amerikaner große Anstrengungen unternommen, um sich von Öllieferanten außerhalb Amerikas unabhängig zu machen, von denen bis zu zwei Drittel des Bedarfs importiert werden mussten. Ihnen ging es dabei nicht um CO2-Einsparung, sondern um eine geringere Abhängigkeit von Ölimporten. Da kam ihnen das Vorbild der Brasilianer, die schon lange mit Ethanol fahren, gerade recht, zumal die Amerikaner seit Jahrzehnten einen Riesenüberschuss an Mais und Weizen hatten. Beides eignet sich für die Ethanolherstellung sehr gut, wenn auch erheblich schlechter als brasilianisches Zuckerrohr. So wurde zuerst in den Midwest-Staaten, in denen die ganz großen Farmer angesiedelt sind und Riesenmengen Getreide angebaut wurden, die Ethanol-Beimischung vorgeschrieben. Daraufhin sah sich auch die amerikanische Regierung zu Zwangsbeimischungsquoten veranlasst. Das führte zum kräftigen Anstieg der Getreidepreise. Schließlich gibt ja nichts Schöneres für einen Produzenten als eine garantierte, vom Staat geforderte Abnahme.

?: War das der berühmte Stein, der die heutigen Verwerfungen ins Rollen brachte?

Schult-Bornemann: Zweifellos hatte diese Politik Folgen, denn gerade Mais aus diesen Midwest-Staaten wurde zum Beispiel auch nach Mexiko exportiert. Hauptnahrungsmittel der armen Mexikaner sind aus Maismehl hergestellte Tortillas. Nachdem sich der Preis für Maismehl nun verdoppelt hatte, gab es die ersten Hungeraufstände, auch weil die Regierung die Subventionerung des Maispreises gekürzt hatte. Viele konnten sich nicht mehr das leisten, was sie für ihre tägliche Nahrung brauchten. Die Nachfrage nach eigentlichen Lebensmitteln, die nun im Auto eingesetzt werden, hatte weltweit bislang mehr als 30 Aufstände zur Folge. Ausgelöst, weil die Leute ihre Lebensmittel nicht mehr bezahlen konnten.

?: Aber nicht nur die Getreidepreise steigen …

Schult-Bornemann: Ja, das setzt sich fort. Mais und Getreide werden ja nicht nur für Tortillas gebraucht, sondern auch als Futtermittel. So verteuert sich letztendlich zum Beispiel auch das Fleisch. Um ungefähr ein Kilo Steak zu erzeugen, braucht man ein Vielfaches davon als Mais. Steigt der Maispreis, steigt auch der Fleischpreis. Und da die Bauern den teuren Mais für ihre Schweine und Rinder nicht mehr bezahlen können, kaufen sie Soja oder etwas anderes. Auf den Punkt gebracht: Alles, was Menschen wie Schweinen schmeckt, ist teurer geworden. Hier hat der Eingriff des Staates erst eine Nachfrage- und dann eine Preissteigerung ausgelöst. Allerdings hat sich die Preissteigerung dann verdrei-, verfünft-, einige sagen sogar verzwanzigfacht, weil Spekulanten den Trend erkannt haben, blitzschnell aufspringen und ihn dann ins Unermessliche treiben. Das hat dazu geführt, dass wirklich viele Leute Hunger leiden.

(Das Gespräch führte Angelika Riedel/Auto-Reporter.NET)

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