Wer bei Rot eine Ampel überfährt um einem Sondereinsatzfahrzeug mit Blaulicht Platz zu machen, geht gewöhnlich straffrei aus, selbst wenn er dabei geblitzt wurde. Voraussetzung für diese Ausnahme von der Regel ist, dass es für den Autofahrer weder links noch rechts Platz zum Ausweichen gegeben hat, etwa wegen einer unmittelbar angrenzenden Straßenbahntrasse oder einem Gehweggeländer. Wie der ACE Auto Club Europa außerdem erläutert, darf im Fall des Falles nur vorsichtig in eine Kreuzung eingefahren werden.
Es passiert immer im denkbar ungeschicktesten Moment: Gerade an der Ampel eingereiht, schrillt plötzlich das Martinshorn und das Blaulicht leuchtet im Rückspiegel. Weder links noch rechts ist Platz zum Ausweichen. Wer sich in dieser Situation umsichtig nach vorne bewegt und die rote Ampel passiert, bleibt unbestraft. Sofern möglich, sollte jedoch ein Zeuge hinzugezogen oder zumindest das Kennzeichen des Einsatzfahrzeuges notiert werden. Sollte ein Bußgeldbescheid eingehen, kann der Fahrer mit Hilfe des Zeugen oder des Kennzeichens Einspruch einlegen. Sonst drohen bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß ein Bußgeld in Höhe von 200 Euro, sowie zwei Punkten und ein Fahrverbot von einem Monat.
„Für jeden Verkehrsteilnehmer, also auch Radfahrer und Fußgänger, bedeuten Blaulicht und Sirene: sofort freie Bahn schaffen. Freie Bahn heißt, vorsichtig eine Rettungsgasse bilden, in der Stadt notfalls auf Verkehrsinseln, Gehwege oder kurz in Einbahnstraßen ausweichen“, erklärt Yasmin Domé, ACE-Verkehrsrechtsanwältin.
Doch im täglichen Verkehr lässt sich immer wieder beobachten, dass viele Verkehrsteilnehmer unsicher sind, wie sie sich bei solchen „Sonder- und Wegerechtsfahrten“ der Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Hilfsorganisationen verhalten sollen. „Wichtig ist es, Ruhe zu bewahren und sich zu orientieren, woher die Signale kommen. In welche Richtung sind die Fahrzeuge unterwegs, wie viele Fahrzeuge sind es“, rät Domé.
Denn bei Notfällen oder dringenden Einsätzen sind Polizei und Feuerwehr weitgehend von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) befreit. „Mit Blaulicht und Martinshorn dürfen sie rote Ampeln überfahren, Einbahnstraßen verkehrt herum benutzen oder lange Staus auf der Gegenfahrbahn überholen“, skizziert Domé den Rahmen des Erlaubten. Solche Sonderrechte gelten ebenfalls für Fahrzeuge des Rettungsdienstes, wenn es um Leben oder Gesundheit eines Menschen geht. Das alles ist im Paragraf 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt.
Die diversen Vorschriften sind jedoch kein Freibrief für Auto-Rambos. Im Klartext: Bei Unfällen mit Einsatzfahrzeugen hat der Einsatzfahrer nur bedingt bessere Karten, denn alle seine Manöver müssen sehr vorsichtig gefahren werden. Der Beamte muss immer mit überraschenden Reaktionen der übrigen Autofahrer rechnen, wie unzählige Gerichtsurteile immer wieder betonen. „Überdies gelten alle Sonderrechte nur, wenn neben dem Blaulicht das Martinshorn eingeschaltet ist“, ergänzt die ACE-Fachfrau.
Auf einspurigen Fahrbahnen steuern Autofahrer ihren Wagen an den rechten Fahrbahnrand. Achtung: Auf möglicherweise dort fahrende Zweiräder achten. Auf zweispurigen Straßen ist gemäß § 11 Absatz 2 StVO mittig eine Gasse zu bilden. An der roten Ampel sollte nach rechts ausgewichen werden, um Platz zu schaffen. Wenn entgegenkommende Einsatzfahrzeuge überholen wollen, so ist ihnen das zu ermöglichen. Gegebenenfalls nach rechts ausweichen. Im Zweifel heißt es, runter vom Gas und anhalten.
Bei mehrspurigen Autobahnen oder Straßen ist die Rettungsgasse zwischen dem äußersten linken und der direkt rechts daneben liegenden Fahrspur zu bilden. In der Regel ist das dann der mittlere Fahrstreifen. Hintergrund: Ein Standstreifen ist als Zufahrt zu den Einsatzstellen nicht geeignet, weil er oft nicht durchgehend ausgebaut oder von liegengebliebenen Fahrzeugen blockiert ist. „Wichtig ist, als Autofahrer den Richtungswechsel mit dem Blinker anzuzeigen“, ergänzt Yasmin Domé: „Man signalisiert damit den Einsatzkräften, in welche Richtung Platz geschaffen wird.“ Auch Zweiradfahrer und Fußgänger müssen auf eigene Vorrechte verzichten und beispielsweise trotz Grünlicht an der Ampel stehen bleiben.
Gewisse Sonderrechte besitzen auch Dienstleister wie Müllabfuhr oder Straßenwartungsunternehmen. Ihre Fahrzeuge müssen dann durch weiß-rot-weiße Warneinrichtungen gekennzeichnet sein, benutzen zumeist eine gelbe Rundumleuchte und dürfen „auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert“. Der übrige Verkehr hat auf die Fahrzeuge und die dazugehörigen Personen Rücksicht zu nehmen. So darf man etwa an Müllabfuhrautos nur langsam und mit ausreichend Abstand vorbeifahren. Müllwerker, die sich auf der Straße aufhalten, müssen jedoch durch auffällige Warnkleidung auf sich aufmerksam machen. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht gelten Sonderrechte für private Paketzustelldienste nicht. „Wer lediglich Pakete zustellt oder Briefkästen leert und sich dabei verkehrswidrig verhält, kann sich nicht auf Paragraf 35 StVO berufen“, stellt Yasmin Domé klar.
Quelle: ACE
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